Nachdem das Kyushu Gaigo College, meine Praktikumsinstitution und Englischsprachschule fuer Japaner, mich letzten Mittwoch trotz meines Holzdeutschjapanisch so nett aufgenommen hat, soll an dieser Stelle ein wenig der “typisch japanische Arbeitstag des deutschen Praktikanten” beschrieben werden.
Um 7.55 Uhr klopft es an meiner Bambusholzzimmertuer und Gastmutter Oka-san sagt “O-hai-oo Eriku”. Nach einer Nacht, die sich durch Grillenzirpen, Froschquaken und manchmal (heute gerade) traumhafte Gewitter auszeichnet, geht es runter in die Wohnkueche, wo Oka-san die japanische 2. Weltkriegsversion von “Gute Zeiten schlechte Zeiten” schaut. Fuer Gastvater Oto-san, der dann meistens bereits zur Arbeit gehechtet ist, Trethupenhuendchen Daifuku und fuer mich gibt es ungefaehr das gleiche Fruehstueck: Muesli mit vielen frischen Fruechten, ein leicht saurer Joghurt-Quark und Eiswasser oder Gruenen Tee mit Eis. Oka-san hat oftmals schon gegessen, das Haus geputzt und war mit dem Hund draussen und Oto-san hat die Ahnen am Hausschrein mit Reis- und Sake-Gaben sowie Gebet geehrt. Im deutsch-japanischen Buero-Hengst-Look geht es dann 6 Minuten zur Shinkansen-Staion, 10 Minuten mit dem Zug, ein zuegiger (und immer wohlgeordneter) Wechsel zur U-Bahn, 11 Minuten U Bahnfahrt, mitten im bienenstockartigen Zentrum von Fukuoka wieder ans Tageslicht und in 40 Grad Hitze kommen, 12 Minuten Fussweg und ich bin an meinem Arbeitsplatz.
Zu meinem Glueck wird im Kyushu Gaigo College zwar vorzugsweise Japanisch unter den Angestellten gesprochen, dennoch sprechen alle so hervorragend English, dass Japanisch lernen (Doppeldeutigkeit 1) und englisch arbeiten (Doppeldeutigkeit 2) fuer mich ganz gut klappt ;)
Die Gefahren die im japanischen Buero herrschen, tarnen sich allerdings auch gern ganz besonders fieselig: Auch wenn es ziemlich einfach und heutzutage schon nostalgisch erscheint, mit Windows XP zu arbeiten, so wird das Ganze auf Japanisch als Japanischanfaenger eine ungeahnte Herausforderung. Im Internet zu surfen oder ein Dokument zu schreiben wird so zu einer adrenalinhaltigen Aufgabe, waehrend das Arbeiten mit MS Excel und einem japanischen Kopierer (hier muss man seit Transformers 3 gaaanz vorsichtig sein…!) Extremsport gleicht. Gluecklicherweise liessen sich jedoch alle diplomatischen Querelen zwischen japanischem Bueromaterial und dem deutschen Praktikanten durch die Kollegen beilegen, sodass nur eine Tonerkartusche zu beklagen ist (Ihre buddhistische Beisetzung findet auf dem Firmengelaende von “Panasonic” um 17 Uhr statt).
Beim Beantworten des Telefons (“Moshi moshi, this is Kyushu Gaigo College, how can I help you?”), bei der Korrektur von Schuelerarbeiten und bei der Vorbereitung des Unterrichts fuer die verschiedenen Englischkurse hechtet der Arbeitstag noch geschwinder vorbei als der storchbeinige Geschaeftsmann. Aufgeflufft durch mittaegliche kulinarische Abenteuer in den Strassen Fukuoka City`s laesst sich die Kernarbeitszeit bis 16 Uhr gut durchhalten. Seien es “Obento” Lunch-Boxen von kraehenden Strassenverkaeufern oder “Instant Ramen Nudel Cups” aus dem “Lawson Family Mart Hotto Motto 7 Eleven” – Kombini, solange man es im Stueck schluckt (Obento) oder den Alu-Deckel (Instant Ramen) entfernt, ist alles gut. Tut man manchmal aus Versehen weder das eine noch das andere, trainiert man entweder die Selbstueberwindung oder putzt danach die Mikrowelle (obwohl Ramen-Gewitter in der Schulmikrowelle wissenschaftlich sicherlich ungeahntes Potenzial hat, ist es weder den Geruch, noch die durchs Putzen verkuerzte Lunch Pause am Ende wert).
Schliesslich sind ab und an noch ein paar Blogeintraege fuer das Kyushu Gaigo College selbst zu zaubern (welche sich als hervorragender Vorwand zum Schreiben dieser Eintraege eignen ;), Post oder Unterrichtsmaterialien zu organisieren und manchmal schnattert auch einfach das ganze Office (Grosse Chefin, Yunetsu-sensei, kleine Chefin, Ryoko-san, Kollege Osawa-san, eine handvoll wechselnde Lehrer und die nette Spanisch-Deutsch-Luxembourgische Mit-Praktikantin Nuriya) miteinander in 3-5 Sprachen durcheinander.
Um 16 Uhr reitet der deutsche Praktikant auf dem Wolf, den er sich gearbeitet (gefreizeitet) hat, gluecklich in den Sonnenuntergang, das stoert die Japaner gar nicht, das sind die aus ihren Animes schon gewoehnt, und freut sich auf den naechsten Praktikumstag.
Hallo lieber Erik!
AntwortenLöschenJAPAAAAN, sehr schön! Ich freue mich darauf, deinen Blog regelmäßig zu lesen. Du schreibst witzig und informativ, das macht Spaß :D
Ich hoffe, dir wirds nicht irgendwann langweilig, ich muss doch wissen, was du so treibst!
ganz liebe und sonnige grüße aus noch-deutschland
viel glück da drüben!
Manon